Kühle Pints und kalte Wellen – eine Reise nach Schottland

  • Boardmag
  • 22.04.2005

Kühle Pints und kalte Wellen – eine Reise nach Schottland
Die Ostküste
Ein Reisebericht von Jo Meschede


Seacliff

Ein Blick aus dem Fenster zeigt mir die dunkelblaue Nordsee im Licht der Dämmerung: Ich bin auf der „Duke of Scandinavia“, der Fähre von Newcastle nach Amsterdam... Timos Citroen AX ist voll beladen und voll funktionstüchtig auf dem Car Deck in Sicherheit. Die Britischen Inseln verschwinden allmählich im Dunst. Hinter uns liegen knapp drei Wochen Schottland.

Timo hatte mich mit Erzählungen von seiner Zeit als Assistant Teacher in Edinburgh, von erstaunlich guten Wellen, einer einzigartigen Landschaft und zahllosen Pubs heiß gemacht. Die Ost- und Nordküste Schottlands ließ ein gutes Potential an Swells erahnen, wenn auch nicht ganz so konsistent wie in Frankreich oder an der Westküste Irlands.

Die Swell Vorhersage und meine Reiselust ließ mich gut gelaunt ins Auto steigen, Timos Bekannte hatten uns schon einen Schlafplatz zugesichert – die ganze Sache war also so gut wie geritzt. Nach einem Zwischenstop beim Peter in Köln und einer kleinen Skatesession auf der Domplatte ging es weiter mit der Fähre von Amsterdam nach Newcastle, mit der selben Fähre, auf der ich jetzt sitze, eine Bloody Mary trinke, dem drittklassigen Unterhaltungsprogramm lausche und diesen Bericht schreibe. Die Überfahrt ist zwar nicht gerade günstig, doch es war immer noch billiger als Fliegen und drüben ein Auto zu mieten. Mobil sein mussten wir, das dürfte wohl den meisten Surfern bekannt vorkommen. Aber ich denke öfters über dieses Paradoxon nach: Auf der einen Seite preisen wir die Mobilität dank einem Auto, auf der anderen Seite bringt einen vor allem die Zeit im und am Wasser der Natur sehr viel näher und man erkennt, dass sein Verhalten der Mutter Erde nicht sonderlich zuträglich ist...

Die Natur begeisterte und beschenkte uns sofort am ersten Tag und am ersten guten Surfspot in Schottland, kurz nach der Grenze zu England. In Coldingham Sands, einer kleinen malerischen Bucht bei St. Abbs Head machten wir 2 Fuß hohe Wellen, Sonnenschein und eine leichte Offshore Brise aus. Wir waren sofort heiß auf das ca. 6°C kalte Wasser, aber ein kleiner Smalltalk und ein Pint bei Steve mussten noch schnell als Aufwärmprogramm herhalten. Steve gehört ein kleines Hotel mit einem Surfshop und Verleih sowie einer Surferbar. (checkt die Webcam unter Surfshop auf https://stvedas.co.uk)


Coldingham Bay, schöne kleine Wellen und keiner draußen

Im Wasser war ich zuerst erstaunt wie gut die Kälte doch mit einem 5/4 Neo, Hoodie, Handschuhen, Neoprensocken und Booties zu ertragen war. Nach einer knappen Stunde musste ich jedoch zähneklappernd und mit tauben Füßen und Händen aufgeben. Die Strapazen der Reise, zwei Nächte so gut wie ohne Schlaf forderten ihren Tribut. Aber die Landschaft und die ersten paar kleinen grünenWellen hatten mich vollends begeistert, so dass die Kälte nach dem Umziehen schnell verflog. So konnte ich noch ein paar Bilder von Timo, der es gute zwei Stunden im Wasser aushielt, sowie von Steve und einem weiteren Schotten , die auch noch ins Wasser kamen, knipsen. Es war beindruckend zu sehen mit welchem Enthusiasmus die beiden Schotten ihre kleinen Weißwasserwellen ritten. Die meisten Surfer hier oben müssen eine sehr tiefe Hingabe für ihren Sport haben um bei diesen doch etwas widrigen klimatischen Bedingungen das ganze Jahr über ins Wasser zu steigen.


Timo, Coldingham

Nach einer Tagesuppe und einem heißen Tee fuhren wir noch eine Stunde bis Edinburgh, setzten uns in einen Pub, warteten auf Timos Freunde und begossen unsere erste Session. Buy 2 get 1 free war das Angebot für die Pints – und so nahm der Abend seinen Lauf. Ich lernte viele neue Leute kennen, Arno, den Franzosen, der letztes Jahr in Schottland angefangen hat zu surfen, Johnny, ein begeisterter irischer Surfer den Timo in Thurso an der Nordküste kennen gelernt hatte und noch einige weitere.


Timo und Johnny

Wir endeten auf dem Fußboden einer 10er WG, doch dies sollte nicht unsere kommende Bleibe sein. Arno überbrachte uns am nächsten Tag die freudige Botschaft, er habe zufällig einen alten Kumpel auf der Straße getroffen, der auf dem Weg in den Urlaub war und uns den Schlüssel für eine leerstehende 3er WG im Zentrum Edinburghs dagelassen hatte.

Am nächsten Tag konnten wir noch den kleinen Swell aus Süd Ost in Coldingham surfen, leider drehte der Wind auf Onshore und die Bedingungen waren nicht mehr ganz so gut, doch der nächste Swell, diesmal von östlicher Richtung schien gute Wellen zu versprechen. Die wellenlose Zeit vertrieben wir uns mit Wakeboarden auf einem kleinen See bei Edinburgh. Für mich war es das erste Mal, war ganz spaßig aber für ist es nicht vergleichbar, sich von einem Motorboot ziehen zu lassen oder die Kraft einer Welle zu nutzen. Natürlich besuchten wir noch unzählige Pubs und Clubs, und jede Nacht zwang uns nur die Sperrstunde zur Aufgabe. Die Pubs schließen dort um 1h und die Clubs um 3h. Anschließend kann man zwar fish und chips kaufen, in kleine Supermärkte gehen, aber keinen Alkohol mehr erwerben. Das gleiche gilt am Sonntag, bis die Kirchen zu Ende sind. Das deftige englische Frühstück mit Bohnen, Speck und Spiegeleiern, ergänzt mit Obst, Tee, etc. half uns immer wieder auf die Beine und sollte dafür sorgen uns in den Wellen etwas warmzuhalten.


Johnny, Spray im Sonnenuntergang


Hmmm, lecker, lecker

Der vorhergesagte Swell kam, mit ihm leider der Wind und Regen, aber wir hatten einige interessante Sessions in Pease Bay, einer Bucht etwa 40min von Edinburgh entfernt. Dort gibt es zwar etwas Localism, die Ansässigen machen immer wieder die Webcam kaputt, doch im Wasser war die Atmosphäre eher entspannt. An den zwei guten Tagen, mit bis zu 6 Fuss Wellen, waren 20-30 Leute im Wasser, bunt gemixt über Frau und Mann, alt und jung, Anfänger oder Könner. Leider funktionierte das kleine Reef am rechten Ende der Bucht nicht richtig, die Swell Richtung war wohl ungünstig. Von der Kälte passte es jetzt bei mir, ich zog nun immer meinen Shorty oben drüber und konnte auch ca. 2std im Wasser bleiben.


Timo @ Peasebay

Leider blieben mir ein paar Erfahrungen, die die Stimmung etwas runterziehen können, nicht erspart. Mein Digi Photo ging kaputt und ein Schotte paddelte mir in der Welle rum, er konnte nicht und ich wollte nicht ausweichen, so stießen wir zusammen. Im letzen Moment drehte er sein Brett um und eine seiner Finnen bohrte sich tief in mein Board. Doch wie so oft gesellte sich zu dem Unglück das Glück. Als ich total angepisst aus dem Wasser stieg, ich war gerade mal zehn Minuten im Wasser, traf ich auf dem Parkplatz den Board-Doc aus Edinburgh. Ich konnte ihm mein Brett gleich mitgeben und er würde es über Nacht vorläufig flicken, so dass ich es am nächsten Mittag wieder abholen konnte. Denn der nächste Trip war schon geplant. Ein Swell von Nordwesten sollte die Nordküste in den nächsten Tagen treffen, Grund genug für uns aufzubrechen und dafür brauchte ich unbedingt mein Brett... Dazu aber später mehr, in einem zweiten kleinen Teil über die Nordküste.

 

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