Was hat man als Longboarder zu
erwarten, wenn man auf eine Inline-Downhill WM fährt? Schwer zu
sagen, schon im Vorfeld war auf diversen Internet-Foren die Rede
davon, daß es sich nicht lohnen wurde, extra nach Albstadt zu
fahren, denn Longboarder wären dort ja nur Zaungäste und
Exoten und man könnte froh sein, drei Runs zu kriegen...
Trotzdem entschieden wir uns, dem Event eine Chance zu geben, vor allem deshalb, weil die Webpage der Veranstalter einen guten Eindruck machte und die Strecke interessant aussah.
Freitag
Nach einer Fahrt ohne besondere Vorkommnisse landen wir in Albstadt. Auf dem Marktplatz herrscht Volksfestatmosphäre. Auf einer Bühne spielt eine Band, überall Buden und Stände und Leute, die sich Würstchen und Bier in den Rachen schieben. Die Anmeldung befindet sich im Konferenzraum des besten Hotels am Platz und als man uns als „Athleten“ bezeichnet, dauert es ein paar Sekunden, bis wir merken, daß wir gemeint sind. Überhaupt hat alles irgendwie eine sehr professionelle Stimmung: Dutzende von Helfern in Event-Polohemden schwirren in der Gegend herum, der Organisator Michael erzählt von den Airfences, mit denen die Kurve gesichert sind und daß man diese Teile sonst auf Motorradrennen einsetzt und das Highlight des Abends (zumindest auf offizieller Seite) ist der feierliche Einmarsch der Nationen, komplett mit Hostessen und Oldtimerparade. Auch die anderen Longboarder, Streetluger und Dirtsurfer scheinen sich nicht als „Athleten“ zu fühlen und schließlich sitzen die ganze üblichen Verdächtigen bei Bier zusammen und betrachten etwas befremdet den Einmarsch der WM-Teilnehmer. Ein paar Bierchen später entscheiden wir uns gemeinsam auf den Parkplatz am Start der Strecke zu fahren und dort zu campen, statt mit 50 Inlinern in der Turnhalle zu schlafen. Nicht, daß wir was gegen die Inliner hätten, aber schließlich sind das ja Athleten, die ihren Schlaf brauchen und wenn sich der Rest der Downhill-Fraktion auf einem Event trifft, dann kommt man in der Regel erst spät ins Bett...
Samstag
Nach gefühlten 20 Minuten Schlaf beginnen wir die erste Testfahrt der Strecke. Shredder wird zum Autofahren verdonnert und Cengiz und Streetluger Henrik skaten voran. Die Strecke hat es durchaus in sich, im oberen Teil ist der Asphalt ziemlich geflickt, aber fahrbar, die 3 Haarnadelkurven sind ausreichend eng, um richtig Spaß zu machen und dann fällt die Strecke in einer langezogenen Rechtkurve auf die Zielgerade zu. Wie auf einer Stadtrennstrecke üblich gibt es massig Gullideckel, die aber bündig in der Straße sitzen und außerdem gut markiert sind. Einziger Kritikpunkt sind die nicht gesicherten Bordsteine und die unzureichende Polterung von Bäumen und Laternen, auf 2,5km Länge wäre das aber auch kaum zu bewerkstelligen. Alles in allem eine durchaus anspruchsvolle Strecke, die nicht nur die gaskranken Rennfahren fordert, sondern auch fortgeschrittenen Freeridern Spaß macht.
So richtig folgt eigentlich keiner dem Wettbewerb der Inliner, wir sind viel zu sehr damit beschäftigt, uns auf den nächsten Run vorzubereiten oder während der längeren Pausen mit allen anwesenden Longboardern zu quatschen und zu fachsimpeln.
Gegen Abend wird das Feld der Starter
immer dünner und man bereitet sich auf den Abend und die
obligatorische Party vor. Nachdem die Meisten unter der Dusche wieder
zu menschlichen Wesen geworden sind, finden sich nach und nach alle
wieder auf dem Marktplatz ein. Die Siegerehrung hat die Ausmaße
einer Olympiaeröffnung mit Ansprachen, Ehrungen, Offiziellen und
vielen, vielen Titeln - Deutscher Meister, Weltcupsieger,
Weltmeister... Liam aus Südafrika verliert irgendwann die
Übersicht und gemeinsam beschließen wir, die Schlagzahl am
Bier zu erhöhen. Nach der Siegerehrung spielt eine Band auf,
aber irgendwie ist die versammelte Longboarderclique den Meisten
zu... anders. Nach einem Beinahe-Zusammenstoß mit der
Dorfjugend machen wir uns auf den Weg zum Bus und einer weiteren
kurzen Nacht...
Sonntag
Für den Sonntag sind die Rennen für die „Exoten“ geplant: Dirtsurfer, Streetluge, Skateboard, Seifenkisten. Michael ist ein wenig säuerlich, weil – wir trauen unseren Ohren nicht – er den Eindruck hat, wir kriegen nicht genug Freerides! Dem Mann sollte man einen Orden verleihen! Aber tatsächlich zieht sich das Warm-Up, weil die Seifenkistenfahrer nur die Hälfte der Strecke fahren und ewig brauchen, bis sie ihre Läufe durchgefahren sind. Das muß man sich mal vorstellen: oftmals teilen sich mehrere Fahrer eine Seifenkiste und die muß dann für jeden Starter die Strecke hochgezogen werden...
Trotzdem, es ist ein herrlicher Tag, bis... während dem Dirtsurfer-Rennen der Himmel zuzieht. Eine halbe Stunde später öffnen sich die Schleusentore und innerhalb von Minuten ist klar, daß der Rest der Rennen – allen voran Longboard und Streetluge – ausfallen wird. Regen und Wind sind so heftig, daß innerhalb von Minuten Gullies verstopft sind und die komplette Strecke teils zentimetertief unter Wasser steht und es keinen Sinn macht, die Heimfahrt weiter zu verschieben. Trotz Überschwemmung dauert es wie immer eine Weile, bis wir uns von Allen verabschiedet haben. Als wir Albstadt hinter uns lassen, sind wir sicher: nächstes Jahr sind wir wieder dabei – ein absolut professionell organisiertes Event, auf dem wir den Eindruck hatten, weniger geduldete Sonderlinge, sondern eher gefeierte Ehrengäste zu sein.
Wer sich für die Ergebnisse der Inline-WM und weitere Bilder interessiert, mehr Infos gibt es auf www.downhill-challenge.de
Bild by www.downhill-challenge.de