Kühle Pints und kalte Wellen Teil 2 – Die Nordküste

  • Boardmag
  • 23.05.2005

Kühle Pints und kalte Wellen Teil 2 – Die Nordküste
Bericht und Bilder: Jo Meschede


Bettyhill, das alte Schaf und das Meer

Nachdem wir ein paar gute Wellen an der Küste südlich von Edinburgh hatten (siehe Teil 1), hofften wir noch ein paar wirklich gute Wellen an der Nordküste zu erwischen und die Swell Vorhersage gab uns allen Grund zur Hoffnung... In Edinburgh packten wir den AX bis oben hin voll und fuhren noch zum Surfladen „Boardwise“, wo wir mein Brett abholten.

Der Board Doc hatte es echt gut hingekriegt, wollte nur 10 Pfund und erklärte uns ganz entspannt den genauen Weg zu fast allen guten Surfspots an der Nordküste. Er warnte uns vor dem alten Atomkraftwerk in Dounreay, es werden leider immer wieder radioaktive Partikel an den angrenzenden Stränden gefunden. Leider sorgt die Strömung dafür, dass die Partikel (wer weiß wie viel ausgetreten ist?) am östlichen Ende der Nordküste verteilt werden. Der Gefahr setzt man sich vor allem in Sandside Bay, Brims Ness und Thurso aus. Irgendwo westlich von Brims Ness sorgt dann ein Ausläufer des Golfstroms aus westlicher Richtung dafür, dass man ab diesem Punkt wieder relativ ungefährdet ins Wasser gehen können. Trotz dieser „Bedrohung“ gibt es einige Locals und eine große Schar von Surf-Reisenden die ohne Bedenken in Thurso und Brims Ness ins Wasser gehen. Die Riffe (im Gegensatz zu der Wasserqualität) dort werden zurecht weltweit als erstklassig bezeichnet. Es ist ein 5 Sterne WQS Contest mit insgesamt 100000 Dollar Preisgeld geplant, ob sie ihn allerdings durchführen, konnte ich nicht herausfinden.

Als wir mitten in der Nacht nach 6-stündiger Fahrt durch die Highlands, vorbei an Schafherden und Fischern, in Thurso ankamen, mussten wir enttäuscht feststellen, dass wir keine tosenden Wassermassen hören konnten und der Strand eher wie am Mittelmeer aussah. Wir quartierten uns in Sandra’s Backpackerhostel ein, 10 Pfund die Nacht mit Frühstück zum selber machen, trafen auf ein paar andere Surfer und gingen bald ins Bett. Am nächsten Morgen rollte ich mit dem Longboard zum Strand, herrliches Wetter doch wieder keine, oder so gut wie keine Welle in Thurso East, dem größten Riff in Thurso. Etwas verunsichert, was man noch auf die Gültigkeit von Swell Vorhersagen geben kann, ging ich zurück zum Frühstück und fing an mich mit zwei jungen schottischen Surfern zu unterhalten. Ich berichtete von den Mini-Wellen. Sie schienen begeistert und meinten, ja wenn Thurso East solche Wellen hat, sollte Brims Ness kopfhoch sein und Tubes bilden. Ja, ja dachte ich, verarschen kann ich mich selber...

Da der Swell aus westlicher Richtung kam, beschlossen wir so weit wie möglich nach Westen zu fahren, nach Bettyhill, ca. ein Stunde Fahrt von Thurso. Und wir fanden Wellen, zwar nicht so sauber aber die Größe war ok und der Spot war der Hammer.


Timo rockt in Bettyhill die orangene Big Mama, also er ist der hintere, stehende Surfer

Nach dieser ersten Session stiegen wir ins Auto und da der Tag noch nicht ganz zu Ende war, beschlossen wir noch nach Brims Ness zu fahren. Ich war ziemlich fertig und war nicht so extrem begeistert noch mal ans Wasser zu fahren, aber ich dachte mir, was soll’s und rollte mich auf dem Rücksitz zusammen und schlief tatsächlich ein. Ich wachte auf einer Farm auf, neben mir Traktoren, Kühe und Schlamm. Noch etwas beduselt stieg ich aus dem Auto und in der Ferne konnten wir eine schöne Left erkennen, the Point, die einzige Welle in Brims Ness, die ins offene Wasser ausläuft und nicht auf die Felsen kracht. Als wir dann näher ran gingen entpuppte es sich als eine ca. 10 Fuss Welle, die beiden Typen, die noch im Wasser waren, sahen auf jeden Fall verdammt klein aus. Kurz darauf tauchte Chris Noble auf, einer der besten Surfer von da oben. Er wollte auch in die Left gehen, aber da die beiden anderen Typen aus dem Wasser kamen, entschloss er sich mit einem Australier in die etwas kleinere Right, The Cove, zu gehen. Dort konnten wir dann beobachten, wie leicht es für ihn schien Barrels zu bekommen. Innerhalb von 20min paddelte er in ca. 6 Wellen, stand jeden Take off und fuhr aus fast allen wieder raus. Dies sollte reichen um meine Zweifel zu besiegen und mit Timo, der schon ganz heiß darauf war noch kurz vor Sonnenuntergang unsere erste Reef-Session zu starten.


Chris Noble in Brims Ness, the Cove

Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als ich in einer Set-Pause von den Felsen sprang und in das leere Line up paddelte. Die Stimmung war erstklassig, die Sonne senkte sich langsam über dem Meer und ein paar Meter neben uns tauchte immer wieder ein Seehund auf, der uns neugierig beäugte. Die Wellen in die wir rein droppten waren zwar etwas kleiner als die von Chris, doch für mich waren sie immer noch extrem Respekt einflößend. Erstaunlich war, dass ich kein einziges Mal bailte, und aus meinen Wellen immer wieder sauber raus fuhr. Timo wurde einmal gewaschen und musste in der Inside gegen ein großen Set kämpfen. Er war nur ein paar Meter von den Felsen weg, als er sich entschied zur Seite rauszupaddeln, was dann ganz gut klappte. Nach vier kleinen Rides wurde es mir zu dunkel und ich ging an Land, was auch ein kleines Abenteur war, da ich den Untergrund nicht kannte, sondern nur wusste, dass er ziemlich dreidimensional und hart war. Ich war extrem unsicher, wann ich den Austieg wagen sollte, also wann eine Setpause lang genug war. Irgendwann paddelte ich dann drauflos und wurde ein wenig über das Riff gespült, aber so sanft, dass ich mir wie in einem Whirlpool vorkam. Leider war das Licht zu schwach um noch halbwegs akzeptable Photos zu machen, aber im Vergleich zu denen, die Timo von Chris geschossen hatte, wären sie auch eher billig gewesen.


Oben und unten: Chris in the Cove


Oh yeah, rechts, in der Impact Zone, da will man lieber nicht sein...

Nach der kurzen Session war ich gar nicht so extrem gepusht, ich glaub’ ich sehnte mich eher an die etwas sanfteren Beach-Breaks zurück. So war ich dann auch nicht böse, dass wir unser erstes Riff nicht übermäßig begossen, sondern einen gechillten Abend im Hostel verbrachten.

Am nächsten Tag gingen wir noch mal nach Bettyhill, der Surf war ähnlich wie am Vortag, nur der Offshore-Wind frischte ein wenig auf, so auf 35kmh. So konnte man sich nach einem Duck Dive auf einen 10sec. langen Regenschauer gefasst machen. Ich hatte das Gefühl, dass mir die Session in Brims Ness zu einer sprunghaften Verbesserung verholfen hatte. Die Take offs schienen auf einmal so leicht und auch die kleinen Kurven liefen besser. Naja, vielleicht hatte ich auch einfach nur ein bisschen mehr Glück als sonst, wer weiß.

Nach unserer letzen Nacht in Thurso mussten wir schon wieder feststellen, dass das Riff nicht lief, wir waren um 6 Uhr aufgestanden, da der Offshore Wind ca. 50kmh erreichen sollte. Wir packten unser Zeugs und machten uns auf nach Melvich, einer weiteren malerischen Bucht. Dort trafen wir einige andere Surfer aus dem Hostel, die alle in ihren Autos saßen und meinten sie müssten warten, bis die 5°C Marke überschritten sei. Bis auf einen, der einige schöne Rights bekam, und sie von Anfang bis Ende shreddete. Wir gingen dann auch irgenwann ins Wasser und hatten noch unseren Spass, aber leider waren immer mehr Closed Out Wellen dabei, so dass die Ritte nicht so lang waren. Es war aber auf alle Fälle eine gebührende Abschluss Session für die Nordküste, und wie sich später herausstellen sollte auch für ganz Schottland.


Melvich, eines der größten Sets des Tages, man beachte die kleinen schwarzen Punke in der Inside.

Wir hatten eine verdammt gute Zeit hinter uns und der Abschied aus Edinburgh viel uns, besonders Timo, nicht ganz leicht. Wir ließen am letzen Abend noch mal die Sau raus und machten uns am nächsten Tag verkatert auf die Heimreise. Wir erreichten gerade noch rechtzeitig unsere Fähre auf der ich jetzt sitze und dies hier schreibe und mir die ganzen verfetteten Briten anschaue. Was viel schlimmer ist, jetzt heißt es über einen Monat nicht mehr in die Brandung steigen. Aber ein Monat ist so kurz und die Wellen in Frankreich, Seignosse werden sicher auf uns warten und uns eine erstklassige deutsche Hochschulmeisterschaft ermöglichen können. Doch dazu mehr Ende Mai. In der Zwischenzeit wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als Surf-DVDs zu gucken und auf einen kräftigen Regenguss zu warten, der ein paar stehende Wellen auf der Dreisam produziert... Zu letzt noch eine Warnung: Surfen macht hochgradig abhängig... (Bier manchmal auch)



Gute Nacht, träumt schön von Wellen...